Der Direktor des Alexianer Wohn- und Beschäftigungsverbundes Aachen wechselt in den Ruhestand
Am 1. August 2020 beginnt für Jürgen Amberg (62) die Ruhephase seiner Altersteilzeit. Für die Alexianer Aachen GmbH endet damit tatsächlich eine Ära. Fast 30 Jahre lang prägte der Direktor des Alexianer Wohn- und Beschäftigungsverbundes Aachen die Behindertenhilfe der Alexianer.
Als Jürgen Amberg 1991 seinen Dienst im Alexianer Krankenhaus Aachen antrat, wirkte dort seit einem Jahr der damalige Chefarzt Dr. Klaus Greven. Greven hatte sich aufgemacht, das Krankenhaus zu verändern, die Psychiatrie zu modernisieren. Hierbei sollte ihm Jürgen Amberg helfen. Der Diplom-Sozialpädagoge hatte zu diesem Zeitpunkt erste Projekte in der Sozialpsychiatrie der Modellklinik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Mönchengladbach absolviert.
Damals war es in der deutschen Psychiatrie noch durchaus üblich, dass Menschen, die dauerhaft Unterstützung benötigten, als sogenannte Langzeitpatienten vorwiegend im psychiatrischen Krankenhaus lebten. Auch im Alexianer Krankenhaus Aachen lebten 1991 noch 260 „Langzeitpatienten“, vorwiegend in Mehrbettzimmern. Für die akute Patientenversorgung standen daneben nur 70 Plätze zur Verfügung. Doch die Zeiten änderten sich. Die Psychiatrie öffnete sich, es begann die Enthospitalisierung und Dezentralisierung, auch im Alexianer Krankenhaus Aachen. Gefördert wurde diese Entwicklung unter anderem wesentlich durch die Aktion Mensch und die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW.
„Menschen mit Behinderung wollen leben, wie wir alle leben wollen: nicht in großen Institutionen wie einem Krankenhaus, sondern in einem selbst gewählten und gestalteten Umfeld, sozial integriert und mit allen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe“, beschreibt Jürgen Amberg den Paradigmenwechsel. Die Alexianer verließen konsequent mit ihrer Behindertenhilfe (die in der Fachsprache Eingliederungshilfe heißt) das Krankenhausgelände. Heute verfügt der Alexianer Wohn- und Beschäftigungsverbund Aachen über sechs Wohneinrichtungen mit 120 Wohnplätzen sowie über zahlreiche ambulante Wohn- und Tagesstrukturangebote für Menschen mit Behinderung, verteilt auf alle Sozialräume der Stadt und Städteregion Aachen. Zudem bieten die Aachener Alexianer das Ambulant Betreute Wohnen inzwischen auch in den Kreisen Düren und Heinsberg an. Insgesamt fast 1.300 Menschen nehmen die verschiedenen Angebote der Eingliederungshilfe täglich in Anspruch. Das Alexianer Krankenhaus Aachen zählt heute zusätzlich 272 vollstationäre und tagesklinische Plätze für die unmittelbare Patientenversorgung.
„Unsere Angebote orientieren sich heute an dem modernen Verständnis von Behinderung, das Inklusion, also gesellschaftliche Teilhabe, von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen fördert“, betont Ambergs designierte Nachfolgerin Birgit Nievelstein. Die 50-Jährige Diplom-Sozialpädagogin/-Sozialarbeiterin ist seit 2005 bei den Alexianern tätig, seit 2012 war sie Ambergs Stellvertreterin. „Wir haben viel bewegt und unsere Angebote für Menschen mit Behinderung kontinuierlich ausgeweitet und verbessert.“ Heute sind alle Angebote des Alexianer Wohn- und Beschäftigungsverbundes inklusiv und sozialräumlich ausgerichtet. Dabei ist ein Sozialraum der Ort, an dem ein Mensch wohnt, arbeitet und gesellschaftlich verankert ist. Die Alexianer stellen in ihren Sozialräumen von Walheim bis Stolberg, von Haaren bis Preuswald und von Simmerath bis Alsdorf genau das sicher: An dem Ort, an dem ein Klient lebt (sei es in einer Wohneinrichtung oder ambulant betreut in der eigenen Wohnung), kann er auch einem Beschäftigungsangebot nachgehen und soziale Kontakte pflegen.
„Damit bleibt die Entwicklung nicht stehen“, blickt Nievelstein nach vorn. „Abgesehen von der Umsetzung des Landesrahmenvertrages NRW zum Bundesteilhabegesetz nimmt derzeit nicht zuletzt die Digitalisierung breiten Raum in unserer Arbeit ein. Beispielsweise erproben wir aktuell mit Förderung der Aktion Mensch eine virtuelle Assistenz und Kommunikation. Zielgruppe sind vor allem Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen, also einer psychischen Behinderung, einer Behinderung aufgrund einer Abhängigkeitserkrankung oder einer geistigen Behinderung. Das Projekt soll es erleichtern, den Kontakt zu den Klienten durch die visuelle Kommunikation zu halten, eine planvolle Tagesstruktur zu gestalten, kognitive Trainings durchzuführen und Kreativ- und Gestaltungsmaßnahmen anzubieten. Das Projekt ermöglicht zum Beispiel abgesicherte therapeutische Videochats per Smartphone.“
Eigentlich wollten die Alexianer Jürgen Amberg im Juni mit einer Tagung verabschieden. Unter Corona-Bedingungen konnte die Veranstaltung nicht stattfinden. „Wir hoffen, dass wir sie im November nachholen können“, hält der Aachener Alexianer-Geschäftsführer Martin Minten fest. „Schließlich hat Jürgen Amberg nicht nur die Eingliederungshilfe der Aachener Alexianer geprägt: Er hat als Koordinator Unternehmensentwicklung Eingliederungs- und Jugendhilfe der Alexianer GmbH seine Expertise bundesweit in die Gestaltung und Weiterentwicklung der Alexianer-Angebote insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen eingebracht. Sein Wirken hinterlässt Spuren in zahlreichen Arbeitsgremien, Caritas- und Fachverbänden. Dem allen würden wir gern einen gebührenden Rahmen geben.“ So hoffen die Alexianer, dass die Veranstaltung doch noch stattfinden kann. Sie soll auch Weggefährten aus befreundeten Institutionen, der Fachöffentlichkeit und öffentlichen Verwaltung die Gelegenheit bieten, Jürgen Amberg zu verabschieden.
Martin Minten: „Bis dahin sprechen wir Jürgen Amberg schon einmal auf diesem Wege unseren großen Dank für seinen unermüdlichen Einsatz und seine unermüdliche Gestaltungskraft aus. Für die neue Lebensphase wünschen wir vor allem Glück und Gesundheit – und dass wir uns nicht aus den Augen verlieren.“ Dafür ist übrigens bereits gesorgt: Jürgen Amberg wird nach seinem Eintritt in den Ruhestand beratend weiterhin für die Unternehmensentwicklung Eingliederungshilfe der bundesweiten Alexianer-Holding tätig sein.